Vielfalt als Chance nutzen – das klingt gut. Wie aber packt man die konkrete Umsetzung im Schulalltag an? Das Lernangebot «Prinzip Vielfalt» zeigt, wie es gelingen kann.
Vielfalt gehört auch in der Schule zum Alltag. Es gilt Schülerinnen und Schüler mit einer grossen Spannbreite an Bildungsansprüchen gerecht zu werden. Eine Aufgabe, die Lehrpersonen und Schüler*innen gleichermassen vor Herausforderungen stellt. Dabei geht allzu schnell vergessen, dass Verschiedenheit zwischen Menschen nicht die Ausnahme, sondern die Norm darstellt.
Umgang mit Gleich- und Anderssein
Hier setzt das Lernangebot Prinzip Vielfalt an. Denn «Prinzip Vielfalt» stellt nicht die Andersartigkeit durch eine Behinderung in den Vordergrund, sondern zeigt auf, wie der Umgang mit Gleichsein und Anderssein in der Klasse gelebt werden kann und die Stärken aller Schülerinnen und Schüler zum Tragen kommen können. Die Wertschätzung dieser Verschiedenheit bildet die Basis für die Auseinandersetzung mit dem Thema Anderssein.
Games als Türöffner
Passend zu Situationen im schulischen Unterricht finden Lehrpersonen auf prinzip-vielfalt.ch eine Fülle von Unterrichtssequenzen für alle Zyklen. Zwei Lernspiele «The Unstoppables 1» und neu «The Unstoppables 2» fungieren als Türöffner zum Thema. Die Games ermöglichen es Kindern und Jugendlichen, in verschiedene Rollen zu schlüpfen und auf spielerische Weise zu erfahren, welche Herausforderungen Menschen mit besonderen Bedürfnissen in ihrem Alltag meistern. «Prinzip Vielfalt» knüpft an aktuelle pädagogische Konzepte an, ermöglicht Philosophieren mit Kindern, kooperatives und situatives Lernen, ist kompetenzorientiert und entspricht dem Lehrplan.
Studie zur Wirksamkeit
Die Pädagogische Hochschule PH Bern hat die Wirksamkeit von «Prinzip Vielfalt» in einem umfassenden Forschungsprojekt 2020 bis 2021 untersucht. Lehrpersonen aus dem Zyklus 2 setzten dazu «Prinzip Vielfalt» über 6 Wochen ein. Die Befragungen in den über 50 Schulklassen mit mehr als 1000 Schüler*innen fanden über ein halbes Jahr verteilt statt: vor «Prinzip Vielfalt», nach «Prinzip Vielfalt» und nochmals 3 Monate später. Sergej Wüthrich vom Institut für Forschung, Entwicklung und Evaluation der PH Bern fasst im nachfolgenden Interview die Ergebnisse der Studie zusammen.
«Veränderungen in der Akzeptanz benötigen viel Zeit»
Sergej, mit welchen Vorurteilen und Verhalten sind Kinder mit Lern- und Verhaltensbehinderungen konfrontiert?
Kinder mit Lernbehinderung gelten oft als «schwach» oder «langsam», während Kinder mit Verhaltensschwierigkeiten als absichtlich «störend» wahrgenommen werden. Die Studie, die wir zu «Prinzip Vielfalt» 2020/2021 durchführten, bestätigten diese Vorurteile: 60 Prozent der Schüler*innen beschrieben das Kind mit Lernbehinderung als «langsam», während 23 Prozent das Kind mit ADHS als «gemein» empfanden. Diese Vorurteile beeinflussen die Akzeptanz. Vor allem Kinder mit kognitiven Beeinträchtigungen, ADHS oder Autismus-Spektrum-Störungen haben ein höheres Risiko, von Mitschüler*innen abgelehnt zu werden.
Wo setzen die Lernmaterialien von «Prinzip Vielfalt» an?
Prinzip Vielfalt nutzt die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler und bietet Materialien, die die Unterschiede der Kinder thematisieren. Die Grundidee ist, dass jede und jeder unterschiedliche Schwächen und Stärken hat. Besonders schön umgesetzt ist diese Idee bei den Lernspielen «The Unstoppables 1 und 2».
Welche positive Wirkung von «Prinzip Vielfalt» hat die Studie gezeigt?
Die Studie zeigte, dass der Unterricht mit «Prinzip Vielfalt» zu einer Reduktion von Vorurteilen führte und das Klassenklima verbesserte. Die Lehrpersonen fühlten sich zudem selbstsicherer im Umgang mit Heterogenität.
Wo zeigte die Studie Grenzen der Wirksamkeit?
Veränderungen in der Akzeptanz konnten nicht direkt nachgewiesen werden. Das haben wir so aber auch nicht erwartet. Solche Veränderungen benötigen viel Zeit. Es ist wichtig, dass Lehrperson das Thema immer wieder aufgreifen, in den Unterricht und in Klassenstunden einbauen. Das kann über viele Arten geschehen, und es gibt immer wieder passende Gelegenheiten. «Prinzip Vielfalt» bietet dafür eine Vielzahl an Ressourcen und Ideen für Lehrpersonen.
Informationen für Lehrpersonen:
• zum Lernangebot «Prinzip Vielfalt»
• Informationen zum Forschungsprojekt der PH Bern zu «Prinzip Vielfalt»
• zum kostenlosen Online-Workshop für Lehrpersonen «Vielfalt im Klassenzimmer»
• zum Lernspiel «The Unstoppables 1» und «The Unstoppables 2» für Android-Geräte
• zum Lernspiel «The Unstoppables 1» und «The Unstoppables 2» für iOS-Geräte
• mehr erfahren im Blogbeitrag zum Lernspiel «The Unstoppables 2»
«Prinzip Vielfalt» ist eine Initiative der Stiftung Cerebral, begleitet und umgesetzt durch die PH Bern.