«Berufswahl ist das spannendste Fach»

Porträt aus der Serie «Menschen an der Schule»

Als Co-Leiter des S&B Instituts für Berufs- und Lebensgestaltung begleitet Simon Schmid Jugendliche auf ihrem Weg in die berufliche Zukunft. Für ihn ist Berufswahl das spannendste Fach, weil darin eine existenzielle Frage steckt: Wer bin ich und was will ich?

Am Morgen mache ich als Erstes meiner Frau Tanja einen Kaffee. Das ist meine einzige Routine am Tag, daran halte ich fest. Danach gehen wir alle zusammen aus dem Haus, unsere beiden Kinder in die Schule, Tanja und ich ins Büro. «Duffy», unser Hund, nehmen wir auch gleich mit. Die Woche startet ruhig, meine Frau und ich sind am Montag die einzigen im Büro. Wir leiten seit 2014 das S&B Institut in zweiter Generation. Mein Vater hat das Familienunternehmen vor 40 Jahren gegründet.

Liebt seinen Job und hilft anderen, den passenden zu finden: Simon Schmid.

Im Team zum Ziel

Ich habe am liebsten Störungen von aussen. Das hängt wohl auch mit dem ADHS zusammen, das vor ein paar Jahren bei mir diagnostiziert worden ist. Ich bin sehr spontan und kreativ. Und ich liebe es, Probleme zu lösen. Ich habe jedoch Mühe, etwas zu Ende zu bringen und bin froh um mein Team. Gemeinsam und mit viel Herzblut setzen wir unsere Ideen um.

«Ich liebe es, Probleme zu lösen.» 

Gut strukturierte Woche

Auch eine gute Wochenstruktur hilft mir, meine Arbeit zu organisieren. Montags starten Tanja und ich mit Planungs- und administrativen Aufgaben, bevor am Dienstagvormittag das ganze Team zusammenkommt. Bei uns arbeiten alle Teilzeit und sehr flexibel. Daher ist der Dienstag der einzige Tag, an dem alle vor Ort sind, auch unsere Freelancer. Das ist mir wichtig fürs Teamgefühl. Am Dienstagnachmittag wechseln meine Frau und ich uns mit dem Wocheneinkauf für die Familie ab. Am Mittwoch sind wir oft an Schulungen mit Lehrerteams, die unser digitales Berufswahl-Lehrmittel «Profolio» im Unterricht einsetzen oder ihren Berufswahlkonzept weiterentwickeln wollen. Der Rest der Woche ist der Weiterentwicklung und Innovation gewidmet. Für persönliche Beratungsgespräche nehmen wir uns immer Zeit.

Menschen begleiten

Unser Berufswahl-Lehrmittel «Profolio» weiterzuentwickeln und noch mehr Schulen davon zu begeistern, motiviert mich Tag für Tag ins Büro zu gehen. Ich möchte herausfinden, was Lehrpersonen brauchen, damit ihr Berufsalltag einfacher und der Berufswahlunterricht freudvoller wird. Ob in der Schule oder mit Erwachsenen: Ich begleite Menschen. Das ist für mich eine sehr sinnhafte Aufgabe. Und wenn unser Angebot nicht ankommt, sehe ich das nicht als Niederlage, sondern als Challenge, es zu verbessern.

«Ich möchte herausfinden, was Lehrpersonen brauchen.» 

Parat nach der Schule

Lehrpersonen sollte bewusst sein, dass sie mit der Berufswahl das spannendste aller Fächer unterrichten. Sie helfen den Kindern, sich auf die Zeit nach der Oberstufe vorzubereiten. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe. Solange Kinder in der Schule sind, ist der Weg klar. Sie fahren wie auf Schienen. Aber Ende Oberstufe ist diese Schiene fertig und die jungen Menschen müssen plötzlich selbstbestimmt handeln können und selbst wissen, wies weiter geht. Deshalb ist es von Bedeutung, dass sie schon früh herausfinden, wer sie sind und welche Bedürfnisse sie haben.

Sich selbst früh kennen

Leider gibt man diesem Prozess in der Schule zu wenig Zeit. Man sollte schon in der ersten Oberstufe damit anfangen. Wer bin ich? Was kann ich? Was macht mich einzigartig? Diese Fragen sollten sich die Kinder schon früh stellen. Die Träume und Ideen der Jugendlichen sind ernst zu nehmen, auch wenn sie einem vielleicht unrealistisch erscheinen. Denn Träume sind ihre Motivatoren. Gleichzeitig gilt es, den Blick der Kinder für verschiedene Möglichkeiten und alternative Wege zu öffnen. Bei Profolio zum Beispiel müssen die Kinder mindesten sechs der 22 Berufsfelder anschauen und erarbeiten daraus ihre persönliche Berufs-Hitparade.

Schritt für Schritt vorwärts

Bleiben Lehrpersonen und Eltern gelassen, hilft dies den Jugendlichen, den Findungsprozess positiv zu erleben. Es geht nicht darum, den Plan fürs Leben festzulegen. Es geht um die nächsten Jahre. Wenn der eingeschlagene Weg zwei bis vier Jahre nach der Oberstufe abgeschlossen ist, kann das als Erfolg verbucht werden. Danach ist alles wieder offen.

Jugendliche sollten sich schon früh mit ihren Stärken und Interessen befassen, findet Simon Schmid.

Wissen, was man will

Mein Vater sagte mir: «Wer im Leben nicht weiss, was er will, hat keine Chance.» Das ist brutal formuliert, aber es hat was. Ich habe schon mit drei Jahren gewusst, dass ich gerne herumtüftle. Ich wollte Erfinder werden. Daraus ergab sich schliesslich eine Lehre als Audio-Video-Elektrotechniker beim SRF. Meine Leidenschaft fürs Filmemachen motivierte mich, «Film» an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) zu studieren.

Familie und Umbruch

Nach Abschluss des Studiums gründete ich meine eigene «Filmschmiede», arbeitete aber weiterhin parallel beim SRF als Kameramann, Erwachsenenbildner und Multitechniker weiter. Die Arbeit beim Fernsehen brachte mich mit vielen Menschen zusammen. Ihre Lebenswege interessierten mich. Dieses Interesse brachte mich schliesslich dazu, mich nach der Geburt meiner Tochter nochmals neu zu orientieren. Ich stieg in die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung im Unternehmen meiner Eltern ein.

«Engagement und Durchhaltewillen werden belohnt.» 

Nicht aufgeben

Rückblickend scheint jedes Leben linear. Aber es ist völlig normal, dass es Brüche, Krisen und Umwege gibt. Auch bei mir. Ich hatte zum Beispiel vor der ZHdK ein Studium in Elektrotechnik begonnen und nach zwei Monaten abgebrochen, weil ich realisierte, dass ich das nicht schaffe. Oft wurstelt man sich durch, und das ist auch okay. Ich bin grundsätzlich ein optimistischer und hartnäckiger Mensch. Das hilft mir sicher. Engagement und Durchhaltewillen werden irgendwann immer belohnt.

Im Austausch mit Menschen

Ein bestimmtes Hobby habe ich eigentlich nicht. In meiner Freizeit programmiere ich gerne, schaue Filme, lese Biografien. Und im Winter gehe ich gerne Skifahren. Ansonsten gehe ich voll im Job und meiner Familie auf. Aktuell starte ich mit Bildungsinnovator Nils Landolt die Podcast-Reihe «Schmid & Landolt unstrukturiert» rund um unser Engagement für Bildung und Berufswahl und unser Leben mit AHDS. Ich liebe den Austausch mit den Menschen, da lade ich auch immer gleich meine Batterien wieder auf.

Das Berufswahl-Lernmedium Profolio
Profolio ist ein digitales Lernmedium für die erste Berufs- und Schulwahl. In sechs Kapiteln finden Jugendliche Antworten auf die Fragen «Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich?». In Challenges lernen sie sich besser kennen und gelangen zu einem reflektierten und bewussten ersten Berufswahlentscheid. In diesem Prozess begleitet Profolio Lehrpersonen, Jugendliche und deren Eltern sowie weitere Bezugspersonen.


Porträt-Serie «Menschen an der Schule»

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